Aufarbeitung Hans Berger

Hans Berger, wer war das?

Prof. Dr. Hans Berger (1873-1941) war Direktor der Psychiatrischen Klinik in Jena, später auch Rektor der Jenaer Universität und der Entwickler der Elektroenzephalographie (EEG).¹

Gleichzeitig war er Förderndes Mitglied der SS, überzeugter Rassenhygieniker und wirkte an Zwangssterilisationen im NS-Deutschland mit. Er unterzeichnete als Klinikleiter die meisten der zahlreichen Gutachten für die Erbgesundheitsgerichte. Er vereinbarte Sonderregelungen, um mehr Zwangssterilisationen beantragen zu können und für die Gutachten mehr Geld zu bekommen. Und zusätzlich war er „ärztlicher Beisitzer“ am Erbgesundheitsobergericht und somit gleichberechtigt mit zwei weiteren Entscheidungsträgern stimmfähig.²

Wir sind Studierende der Fachschaft Medizin und setzen uns für die Aufarbeitung zu Hans Berger ein. Wir wollen die Frage stellen, wie sich ein modernes Universitätsklinikum Jena (UKJ) mit ihrer Klinik für Neurologie bzw. Psychiatrie zu Hans Berger positioniert und wie ihre Rolle im nationalsozialistischen Deutschland aufgearbeitet werden kann. 

Im Folgenden stellen wir unsere Forderungen zur Aufarbeitung zu Hans Berger vor, dokumentieren chronologisch unsere Initiative und laden Dich ein, die Aufarbeitung zu unterstützen.

Wir haben beim UKJ nachgefragt

Als AG Aufarbeitung Hans Berger beschäftigen wir uns seit November 2021 mit der Causa Berger. Müsste das UKJ nicht schon seit Jahren von der NS-Vergangenheit Hans Bergers wissen? ³⁴⁵ In Zusammenarbeit mit dem FSR Medizin haben wir die Geschichtsausstellung in der Magistrale des UKJ zum Anlass genommen, folgenden Brief an den Vorstand des UKJ zu verfassen.

Heimliche Umbenennung der Neurologie

Im Mai 2022 ist über Nacht der Name Hans Berger von der Website der Klinik für Neurologie verschwunden und bezugnehmend darauf ein Artikel in der Thüringer Landeszeitung erschienen, welcher nicht vom UKJ initiiert wurde.⁶ Weil vom UKJ kein offizielles Statement zur Umbenennung veröffentlich wurde, haben wir erneut nachgefragt.

Als Antwort wurde uns vom Vorstand mitgeteilt, dass sie den Kliniknamen nicht so „sang-und-klanglos“ streichen wollen, sondern eine angemessene Erinnerung sicherstellen möchten. Im Juli 2022 wurden wir und Vertreter*innen des AK Sprechende Vergangenheit zu einem Gespräch mit dem Wissenschaftlichen und Medizinischen Vorstand eingeladen. Uns wurde mitgeteilt, dass dem UKJ die Aufarbeitung des Falls Hans Berger wichtig sei. Am Ende wurden wir gebeten unsere Forderungen nochmal konkret zu Papier zu bringen.

Unsere Forderungen

Unsere Forderungen haben wir in einem dritten Brief ausformuliert und an den Vorstand des UKJ gerichtet.

Auf unseren 3. Brief hin wurden wir zu einem weiteren Treffen im Dezember 2022 eingeladen. Diesmal waren neben dem Wissenschaftlichen und Medizinischen Vorstand auch weitere wichtige Personen aus Neurologie, Psychiatrie und Geburtsmedizin dabei. Erneut konnten wir unsere Positionen darstellen und auf unsere Forderungen verweisen. Erneut hat der Vorstand des UKJ uns versichert, spätestens bis Februar 2023 eine eingehende Bewertung Hans Bergers vorzunehmen und damit auch die Umbenennung der Klinik für Neurologie öffentlich zu begründen.

Keine Reaktion

Zu einer Stellungnahme kam es nicht. Es wurde auch keine Informationstafel, die Hans Berger in seinen historischen Kontext einordnet vor der Klinik für Psychiatrie angebracht. Wiederholtes Nachfragen beim Vorstand blieb ohne Ergebnis.

Nachdem auch bis zum September 2023 keine Stellungnahme vonseiten des UKJ kam, haben wir an einer Protestaktion teilgenommen, initiiert vom Arbeitskreis Sprechende Vergangenheit und Kristin Tolk, der Verfasserin der Dissertation über Hans Berger.⁷ Dabei wurde eine selbst angefertigte Informationstafel an der Büste von Hans Berger angebracht, die differenziert die Leistungen, aber auch die Fehlleistungen des Mediziners thematisierte. Darüber wurde auch in der Lokalpresse berichtet. Auf Nachfrage der Redaktion wurde vonseiten des Klinikums versichert, dass „eine tiefgehende medizinhistorische Aufarbeitung erfolge, die Ende des Jahres (2023) abgeschlossen sein soll“.⁸ Doch die selbstgebaute Informationstafel verschwand innerhalb von 24 Stunden und das Jahr verging, ohne dass irgendeine unserer Forderungen zur Aufarbeitung ernst genommen wurde.

Ein Beispiel, wie Aufarbeitung im Kontext der Universität Jena aussehen kann, zeigt das Projekt Erinnern.Gestalten. Mitglieder der Philosophischen Fakultät haben sich seit 2020 kritisch mit dem Jenaer Philosophen und Anitsemiten Jakob Friedrich Fries auseinander gesetzt und die Ergebnisse auf ihrer Website präsentiert. Auch dort wird noch nach einem Umgang mit den öffentlich stehenden Friesbüsten gesucht.

Wie geht es weiter?

Brainstormen, Nachfragen, Flyer, Infoveranstaltung, Arbeitskreis, Ringvorlesung,
Sonderausstellung, Petition, Gespräche, Erfahrungsbericht, Zeitzeug*innen,
Plakate, Betroffenenperspektive, Geschichtswissenschaft, Vernetzung …

Hast du eine Idee, wie eine Aufarbeitung zu Hans Berger noch aussehen kann? Liegt dir zu dem Thema etwas auf dem Herzen? Möchtest du dich aktiv beteiligen? 
Dann schreibe uns gerne über die Mailadresse des FSR an. Wir möchten viele Stimmen miteinbeziehen und freuen uns über deine Nachricht! 

Kontakt: fachschaftsrat@med.uni-jena.de